Montag, 21. Juni 2010

Muss der wahre Anarchist Banker werden?.



Foto: Linda Weiss

In ihrer künstlerischen Reflexion der Weltwirtschaftskrise verbindet die Berliner Künstlerin Linda Weiss Film, Text und Fotografie. Ihre Kamera versucht die Finanzwelt in ihrer architektonischen Gestalt und strukturellen Konstitution zu erfassen, und will damit Einblicke in verborgene Machtzentren liefern. Ihre Aufnahmen in den Finanzvierteln von London und New York kombiniert mit Textzitaten verschiedener Autoren liefern vielfältige Anstöße zur Interpretation und Kritik. (The Art of Speculation, Justin Hoffmann, Kunstverein Wolfsburg)

Business (after New York)“ zeigt Shots, die sich auf den erstmalig in Split-Screen-Technik gedrehten Vorspann des Films, „Thomas Crown ist nicht zu fassen“, beziehen. Die intelligent-ironische Banküberfallkomödie, in der Steve McQueen den smarten Geschäftsmann und Planer eines konzeptuellen Bankraubes verkörpert, ist gleichzeitig als Metapher für das Finanzkrisen-Debakel zu verstehen. Die Drahtzieher sind nicht zu kriegen.

Ein Textlayer aus Zitaten des portugiesischen Poeten Fernando Pessoa, „Ein anarchistischer Bankier“, unterläuft in Form eines Stock Watching Tapes, Videoaufnahmen einer Bank in New York. „Business (after New York)“ knüpft an die von Mark Beasley (Creative Time NY) kuratierte Ausstellung "Sudden White (after Lonon)" in der Royal Academy of Arts London an, welche sich mit apokalyptischen Situationen beschäftigt und die damalige Stimmung des Finanzcrashs 2008 in London wiederspiegelte.  Text: Linda Weiss

Obwohl der Text "Ein anarchistischer Bankier"  von Fernando Pessosa 1929 geschrieben wurde, wirkt er doch wie ein Kommentar auf die heutige Zeit, die heutige Krise. Eine Parallele zur großen Welt-wirtschaftskrise im Jahre 1929 kann getrost gezogen werden, auch wenn heute einige Parameter anders erscheinen. Mit der grossen Depression gingen die sogenannten "Goldenen Zwanziger" zu Ende. Die Folgen damals waren Massenarbeitslosigkeit und eingeschränkter internationaler Warenhandel, da die einzelnen Länder versuchten mit protektionistischen Maßnahmen wie Strafzöllen usw. ihren Binnenhandel zu schützen.

Eine andere Methode der Krise Herr zu werden oder sie zu überwinden, wäre dann wie Fernando Pessosa in dem Buch beschreibt (als Bankier) sich des Geldes zu bemächtigen, so lange das der mögliche Mangel nicht mehr spürbar wird. Muss der wahre Anarchist Banker werden?. Fernando Pessosa schrieb lange für die Schublade. Für die meisten Texte benutzte er Heteronyme, die im Gegensatz zu Pseudonymen dazu dienen sich dem Text figürlich, körperlich zu nähern, oder besser gesagt einzufühlen. Er erfand eine eigenständige Identität mit  Vorlieben und Gewohnheiten und schrieb dann in dieser erdachten Maskerade.

Nach seinem Tod sind unglaubliche 27.453 Manuskripte im Nachlass gefunden worden, alle im fragmentarischen Stil.

Linda Weiss nähert sich auch körperlich der Krise, die Bilder aufgenommen in leeren Bürogebäuden, spärlich ausgestattet mit Insignien der Macht. Durch die Abwesenheit von Handelnden wirken sie um so stärker.




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